Unglaublich, wie lange man sich blödsinnige kleine
Geschichten erzählen kann. Daniel fängt seine wirren Stories
üblicherweise mit einem langezogenem "Uuuuund..." an. Das
erinnert mich an das nervtötende Mädel aus dem ersten Teil von
"American Pie", die ihre öden Geschichten immer einläutete
mit "Einmal im Ferienlager...".
Die Anekdoten von Daniel sind meist weit lustiger, aber ich muss ihm trotzdem
den Ferienlager-Spruch vor den Latz knallen.
Auf unserem Weg nach draußen quatsche ich noch kurz mit dem Barkeeper,
der sich auch brav fotografieren lässt und sogar ziemlich fotogen
ist. Ein Gast, der am Tresen lungert, raunt mir zu "Weißt Du
eigentlich, dass das der Barkeeping-Weltmeister ist?". Nö, wusste
ich natürlich nicht.
Kann mir auch nicht so recht vorstellen, welche Disziplinen man bei einer
solchen WM zu bestreiten hat. Vermutlich muss man 20 verschiedene Drinks
an den Schirmchen erkennen oder so. Auf jeden Fall ist der Barkeeper sehr
nett. Bliebe noch zu fragen, ob er auch Gläserspülen mag und
ob er immer den kleinen Schlag genießt, mit dem er den Blechbecher
nach dem Cocktail-Schütteln wieder vom Glas löst. Ich frag aber
nicht, sondern sehe zu, endlich wieder rauszukommen - nach gefühlten
5 Stunden im Tapasitos.
Die Obstverkäufer wirken hinter ihrer Frucht-Barrikade wie die Figuren
im Kasperltheater. Vermutlich haben sie gar keine Beine, sondern Gurken
oder so.
Daniel und ich diskutieren, ob es auch "Obst-Licht" gibt - analog
zu dem Kunstlicht, mit dem man die Wurst in der Kühltheke rosiger
aussehen lässt.
In einer Unterführung entdecken wir eine verspiegelte Fläche
an der Decke und damit eine Möglichkeit, die Menschen zu fotografieren,
ohne gleich für Spanner gehalten zu werden. Allerdings wirken die
auf dem Kopf stehenden Leute etwas seltsam. Komisch, wenn man bedenkt,
dass die Menschen in Australien quasi immer so kopfüber rumlaufen.
Andererseits können die Aussies beim Kopfstand locker mal die Füße
im Weltall baumeln lassen. Damit hat die Spiegelfläche auch schon
ihren Reiz verloren. Also weiter. Wir haben ja nicht ewig Zeit.
Rolltreppenbilder werden nie was. Daniel wird das auch noch merken. Vor
allem wird er bald merken, dass es bei dieser Spiegelreflex-Kamera nichts
nützt, auf die Rückwand zu starren. Naja, cool wirkt es schon
irgendwie. Keine Ahnung, was er da eigentlich fotografiert.
Wir haben uns ausgedacht, jetzt mal bissi mit der Straßenbahn durch
den Abend zu tingeln. Vorher schneien wir noch in einer Buchhandlung vorbei
und stöbern. Es entsteht die Idee, ein Buch zu kaufen und den fremden
Leuten in der Tram was vorzulesen. Allerdings können wir uns nicht
recht auf das Buch einigen. Soweit ich mich erinnere tendiert Daniel eher
zu Lebensweisheiten á la Paolo Coelho und ich eher zu skurrilem
Zeugs von Max Goldt. Schließlich kommen wir überein, dass uns
eh niemand zuhören würde und dass man das auch beim nächsten
Twentyone24 noch machen könne.
Da der Titel eines anderen Buches vielversprechend ist, versuchen wir
noch, nachzuschlagen, warum Hobby-Fotografen nach 18 Stunden Foto-Pirsch
immer einschlafen. Natürlich finden wir nichts raus. Müde sind
wir trotzdem.
Wenn man gut aufpasst, kann man überall Zettel finden, die irgendwer
verloren oder weggeworfen hat. Ich fotografieren schon seit Monaten immer
mal welche davon, weil ich es spannend finde, zu erraten, was der Mensch
zum Zettel beim Schreiben gedacht hat.
Auf diesem hier stehen vermutlich nur die Termine für die nächsten
Nachtschichten oder die Tage für heißes Blei für Quasimodo.
Hm, es gäbe schon spannendere Zettel-Funde. Zum Beispiel:
"Hilfe, ich wurde von Stubenfliegen entführt."
oder
"Dieser Zettel zerstört sich selber in 3, 4, 5 Sekunden
*Schwere Schutzverletzung bei Adresse 3x43c"
oder
"Auf keinen Fall nochmal vergessen: Oma was zu Essen bringen".
Momentan sind die Plakatwände in Nürnberg voll mit Postern zu
dem Film "Keinohrhasen" [Trailer
anschauen...] mit Nora Tschirner. Mann, diese Nora ist echt superhübsch.
Wenn in dem Film nicht auch noch dieser unsägliche Til Schweiger
dabei wäre, könnte ich mir echt vorstellen, den bestimmt stumpfsinnigen
Film anzuschauen, nur um eine Gelegenheit zu haben, Nora Tschirner 90
Minuten lang anzustarren. Das Leben ist echt manchmal unfair.
Als kleine (Til-freie) Entschädigung kann man sich die sehr trashige
Verfilmung meines Lieblingsbuches "Sterntagebücher" ansehen,
in dem Nora eine "analoge Haluzinelle" spielt [Trailer
anschauen...].
Hatte ich nicht vorhin von Wurstlicht erzhählt? Das hier ist das
Foto dazu. Bei der Gelegenheit ist es unvermeidlich, dass Daniel und ich
einen ganz bestimmten Dialog führen:
Udo: "Und dann?"
Daniel: "Dann hab'm sie's mit den Hartwürsten erschlagn!".
Wohlwissend, dass es niemanden interessieren wird, werde ich hier und
jetzt preis geben, was es mit diesem, mittlerweile legendären, Spruch
auf sich hat.
Es war auf einem Ausflug der Freiwilligen Feuerwehr Reizendorf in den
1980er Jahren, auf dem im Bus die Sprache auf die schlechte Versorgungslage
am Ende des 2. Weltkriegs kam. Der bereits tüchtig angetrunkene Feuerwehrmann
mit Spitznamen Ursus erzählte, wie die russischen Soldaten mit prall
gefülltem Proviatsäcken auf die deutsche Bevölkerung stießen
und diese etwas zu Essen erbettelte.
Der Feuerwehrmann Atze fragte: "Und dann?" und Urus erwiderte
mit grimmiger Stimme "Dann haben sie die Leute mit den Hartwürsten
erschlagen". Punkt. So war das.
Im Laufen fotografiere ich ein Pärchen bei der Wiedersehensfreude.
Ist irgendwie immer wieder faszinierend, zu sehen, dass man sich auch
in absolut unromantischen Orten tierisch freuen kann.
Auf dem Weg nach draußen kommen wir an einem unserer Aufkleber vorbei.
Whow, der stammt auf der letzten Nacht, die mit Zeitalter entfernt vorkommt.
Jetzt aber erstmal Tram fahren. Unsere Wahl fällt auf Erlenstegen,
weil die Bahn halt grad dasteht. Erlenstegen ist das Nobelviertel von
Nürnberg und dürfte somit der langweiligste Ort in Nürnberg
überhaupt sein. Aber so richtig mitdenken können wir eh nimmer.
Die Haltegriffe in der Tram haben blaue und rote Schalter. Ich habe keinen
Schimmer, was der Unterschied zwischen den Knöpfen ist. Erinnert
mich irgendwie an den Film Matrix.
Lustig, sich vorszustellen, dass anstelle einer fränkisch klingenden
Ansage Lawrence Fishburn alias Morpheus vorbeischaut und mich fragt "Do
you want to press the red button or the blue button?". Irgendwie
ist in Nürnberg jeder ein bißchen wie Neo, oder?. Zumindest
kommt mir die Stadt manchmal wie ein kompletter Fehler in der Matrix vor.
Die Tramfahrt erweist sich als grottenlangweilig. Die Leute sind ruhig
und haben in den üblichen Standby-Modus geschaltet.
Während der Fahrt meldet sich noch Ralf, der eigentlich vor hatte,
bei unserem Twentyone24 mitzumachen. Er redet zwar nur dummes Zeug, wir
vereinbaren aber, uns später auf eine Pizza in der Innenstadt zu
treffen.
Jetzt muss ich aber zusehen, dass ich mein kleines Schnuckelchen wieder
an die frische Luft und in Bewegung setze. Er wirkt trotz des Daumens
nach oben schon etwas derangiert.
[ Udos
Bilder dieser Stunde bei Flickr (größere Auflösung)... ]
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Nach dem Verlassen des Lokals hält Udo es für eine gute Idee nochmal eine Buchhandlung aufzusuchen und ein Buch zu kaufen, um irgendwelchen wildfremden Menschen daraus vorzulesen. Dort angekommen wühlen wir uns durch ein sehr übersichtliches Angebot, das Udo aber nicht zufrieden stellt, da er ein ganz bestimmtes Buch sucht.
Ich bin in diesem Fall nicht so wählerisch, aber meine Vorschläge prallen an ihm ab. Offensichtlich habe ich hier nichts zu melden. Was mir aber ehrlich gesagt sehr recht ist, schließlich ist mir diese ganze "Wir-lesen-fremden-Menschen-irgendwas-vor" Geschichte reichlich suspekt. Obwohl ich solche Aktionen grundsätzlich sehr lustig finde. Udo schwärmt ja schon die ganze Zeit von irgendeiner absurden "Free-Hugs" Aktion, in der man sich in eine beliebige Fußgängerzone dieser Welt stellt und anschließend kostenlose Umarmungen verteilt. Und dafür vermutlich neben jeder Menge Körperwärme auch noch einen ganzen Sack voller Bakterien bekommt, wie der Hypchonder in mir anmerkt. Aber Geben und Nehmen ist ja eh angesagt, gerade auch in der Vorweihnachtszeit.
Nun, leider können die Bücher die hohen Ansprüche meines Begleiters nicht erfüllen, was darin resultiert, dass wir letzendendes doch kein Buch kaufen. Die Vorlese-Aktion ist damit gestorben und wir gehen so langsam zum gemütlichen Teil des Tages über: S-Bahn fahren.
Dem aufmerksamen Leser ist sicher nicht entgangen, dass wir zwar am frühen morgen ein Ticket gekauft, jedoch noch nicht beansprucht haben, weil die Nachtbusse nachts nicht fahren, wie ja auch schon der Name nahe legt. Inzwischen ist es bald wieder Nacht und wir können von Glück reden, wenn wir überhaupt noch eine Bahn erwischen. Bahnfahren ist cool. Ich kann ja wirklich das Jammern der armen Leute verstehen, die jeden Tag auf so eine Bimmelbahn angewiesen sind, um auf die Arbeit zu gelangen, denn eigentlich ist es wirklich esig, wenn man unter Zeitdruck ist. Aaaaber: Wenn man das Bahnfahren als Selbstzweck ansieht und sich einfach nur in die Bahn reinhockt und eine Runde dreht und sich einfach so, ohne irgendwelche Erwartungen durch die Gegend gondeln lässt ist es wunderbar. Das mag ich auch am Autofahren. Als Beifahrer. Füße hoch Blick zum Fenster raus und entspannen. Schön ist das. Musik? Musik!
Zugegebenermaßen passiert natürlich absolut nichts, was es irgendwie wert wäre erwähnt zu werden, aber das macht gar nicht. Schließlich sind wir schon ausreichend lange unterwegs, auch wenn man rückblickend glaubt, dass wir den ganzen Tag nur in irgenwelchen Gaststätten verbracht haben. Was irgendwie auch der Wahrheit entspricht. Während wir so in der S-Bahn hocken ist uns natürlich jedes Opfer recht, das uns vor die Knipse kommt. In diesem Fall in erster Linie ein kleines Kind, das innerhalb von 2 Minuten öfter fotografiert wird, als andere Menschen in ihrem ganzen Leben.
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