Die Schule, in der wir immer noch unterwegs sind, steht
auf der Insel Schütt ziemlich genau an der Stelle, an der im 19.
Jahrhundert das Findelkind Kaspar Hauser bei seinem Ziehvater, Professor
Daumer, gewohnt hat. Kaspar Hauser fasziniert mich schon ziemlich lange
[mehr
über Kaspar erfahren...]. Eine Theorie besagt, dass Kaspar ein
Prinz gewesen sei. Hört, hört. Genau wie wir. Dass das Haus
hier stand, habe ich im letzten Jahr mal per Mail bei einem Geschichtsprofessor
erfragt. Der schien über meine Mail ziemlich erfreut gewesen zu sein.
Kaspar Hauser ist letztlich zum Opfer geworden und in Ansbach ermordet
worden. Dass die Opfer-Figur im Schulhof etwas mit ihm zu tun hat, glaube
ich aber trotzdem nicht.
Der Schulhof und die Fassaden der Schule sind voll mit diesen bunten Figuren.
Sieht nett aus.
Meine Schwester ist Grundschullehrerin und hat mir mal erzählt, dass
momentan "Du Opfer" die Lieblingsbeleidigung der Erstklässler
untereinander ist und sie vergeblich versuche, ihnen das abzugewöhnen.
Eine der Figuren sitzt oben auf dem Dach.
Hat schon was, immer einen Sonnenplatz zu haben, einen eingebauten Weitblick
und immer "on top of things" zu sein. Allerdings ist es weit
weniger prickelnd, aus Pappmaché zu sein. Da bleib ich dann doch
lieber kurzsichtig und dafür aus Fleisch und Blut.
Wir versuchen, eine Erlaubnis für ein paar Photos der leeren Klassenzimmer
zu bekommen. Das wächst sich zu einer schwerwiegenden Frage aus.
Keiner der Lehrer oder Putzfrauen traut sich, das zu entscheiden. Alle
verweisen auf die Rektorin, die aber gerade mit dem Rest des Lehrkörpers
(auch ein schönes Wort, oder?) in einer wichtigen Konferenz zu stecken
scheint. Nach Ferienbeginn?
Daniel und ich wollen wissen, ob, da es der letzte Schultag ist, die Rektorin
nicht eher Glühwein mit ihren Untergebenen trinken würde. Alle
verneinen entrüstet.
Schließlich schleicht sich eine Lehrerin in unserem Namen in die
wichtige Konferenz und erklärt der Rektorin flüsternd unser
Anliegen. Wir schauen durchs Fenster zu.
Die Rektorin guckt sehr besorgt und als die Lehrerin zurückkommt,
meint sie, dass es völlig unmöglich und absolut ausgeschlossen
sei, in einer Schule auch nur daran zu denken, Bilder von leeren Klassenzimmern
zu machen.
Naja, dann eben nicht. Hoffentlich hat die strenge Rektorin ihren Leuten
noch einen Glühwein gegönnt.
Zu der Szene passt natürlich nur ein Song. Ich meine den mit der
berühmten Zeile
"We don't need no education"
[Anhören...]
in einer Cover-Version aus dem letzten Jahr, die ich recht witzig finde.
Ach, nur damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich finde, wir brauchen
mehr Education anstatt weniger oder gar keine.
Für den Moment ist die Luft raus und wir brauchen etwas Ruhe, eine
warme Ecke und Koffein - viel Koffein. In der Nähe ist die Bar Celona
Finca und wir pflanzen uns an einen Tisch am Fenster mit Blick auf den
Fluss. In den nächsten zwei Stunden sollte uns hier keiner wegkriegen.
Wie zwei Cowboys schnallen wir unsere digitalen Colts ab und legen sie
auf den Tisch. Ich glaube, wir sind davon mehr beeindruckt als alle anderen.
Zumindest macht niemand "Aaah". Ignoranten.
Aus mir nicht verständlichen Gründen bestelle ich nix mit Koffein,
sondern einen Chai Latte. Die Bedienung bringt ein Getränk mit drei
Schichten, was mich ziemlich begeistert.
Obwohl in diesem Fall ziemlich nutzlos, finde ich es toll, wenn jemand
seine Arbeit mit Hingabe macht. Ich möchte dem Barkeeper eine Kußhand
zuwerfen, sehe dann aber davon ab, da ich den guten Mann nicht in Schwulitäten
(super Kalauer, oder?) bringen will.
Mein kleines Danielchen ist mittlerweile ziemlich am Arsch und "Blitzkrieg"
scheint Äonen her zu sein. Ich selber bin anscheinend auch nicht
mehr soo fit, denn ich vertue mich beim Schreiben der Uhrzeit auf die
Tafel um eine glatte Stunde. Allerdings schaffe ich es nicht, so herrlich
verpennt auszusehen wie Schnucki hier auf dem Bild.
*switched to idle mode*, wie mein ICQ sagen würde.
Die schlafenden Gehirnzellen fördern offenbar das Labern von Unrat,
denn wir fangen an, deutsche Schimpfwörter in Englisch zu übersetzen,
was sich herrlich blöd anhört. Meiner Meinung nach ist ein "Mouth
Monkey" dem deutschen "Maulaffen" beinahe ebenbürtig.
Bevor ich Daniel als Mouth Monkey beschimpfe, muss er das Schimpfwort
raten, das ich auf die Tafel gemalt habe. Eindeutiger kann ein Maulaffe
nicht gezeichnet werden. Fakt. Ich hab vergessen, ob er tatsächlich
erraten hat.
Daniel meint, dass wir anstatt diesem Blödsinn lieber mal die wahren
Weisheiten auf die Tafel schreiben sollten.
Naja, aus den "wahren Weisheiten" werden die "Waren-Weisheiten"
und wir filosofieren über Do's and Dont's beim Kauf von Waren.
Eine der elementarsten Erkenntnisse, deren ich in meinen bisherigen 36
Lebensjahren gewahr wurde, ist die, dass man frische Waren im Allgemeinen
und Butter im Speziellen immer von hinten aus dem Regal nehmen sollte.
Garantiert hat eine dieser kriminellen Bediensteten im Supermarkt die
Butterstücke, die nahe am Ablaufdatum herumkrebsen, nach vorne geräumt,
auf dass sie von verpeilten Software-Fuzzies, die eh nichts checken, weggekauft
werden sollen.
Nicht mit mir, Frolleins! Ich nehme die Butter von ganz hinten, ein beinahe
noch jungfräuliches Stück an dem man, wäre nicht das Dauergedudel
im Supermarkt, das Quietschen des Kuh-Euters noch hören könnte.
Da habe ich dann also ein Stück Butter, welches noch 3 Wochen haltbar
ist und werfe es dann nach 6 Wochen unausgepackt in den Müll, weil
ich es in einer unübersichtlichen Ecke meines Kühlschranks übersehen
habe. "Na und?", rufe ich Euch zu, "ist doch ein freies
Land". Naja, eigentlich ärgere ich mich schon immer. Aber noch
eigentlicher kaufe ich fast nie Butter.
Wie zu erwarten war, kann Daniel mit meiner Weisheit nichts anfangen.
Wie auch, er ist ja noch blutjung.
Jetzt wäre eigentlich Daniel dran mit dem Aufschreiben einer Waren-Weisheit.
Schlaftrunken vergewaltigt er meinen Text und fügt lediglich eine
"2" an. Wie sagte schon die Mutter von Brian im Film über
das Leben des Gleichen, als die heiligen drei Könige zum Preisen
des Kindleins im Stall erscheinen?
"Was soll daran weise sein?"
Eine letzte Weisheit würge ich noch aus mir heraus, bevor auch ich
anfange, apathisch vor mich hin zu starren.
Persil = Ariel = Perwoll = Spee = Omo.
Das habe ich vor vielen Jahren mal irgendwo gelesen und fühle mich
immer sehr klug, wenn ich das zum Besten geben kann. Leider interessiert
das nie jemanden und Daniel schon gar nicht - ich kann beides verstehen.
Erstmal noch 'nen Cappucchino bestellen.
Da wir uns vorgenommen hatten, mindestens alle 15 Minuten ein Bild zu
machen, schreckt Daniel immer mal auf, greift sich hektisch die Kamera
und fotografiert irgendwas, bevor er wieder in sich zusammensackt.
Ich weiss, dass in dieser Stunde nicht viel passiert ist, aber es sollte
noch Schlimmer kommen.
[ Udos
Bilder dieser Stunde bei Flickr (größere Auflösung)... ] |
Nach erfolglosem Schulbesuch schlagen wir einen Weg Richtung Innenstadt ein. Ich
kenne mich hier echt überhaupt nicht aus und trotte Udo einfach hinterher. Ein
paar Meter weiter kommt uns ein kleiner Junge mit großen Augen und einer Topfplanze
in der Hand entgegen. Er berichtet uns stolz, dass er die heute in der Schule
geschenkt bekommen hat, schließlich sind ja Ferien und da werden die anderenfalls
nicht gegossen. Ich erinnere mich sehr gut an meine eigene Grundschulzeit. Damals
hatten wir auch Pflanzen im Zimmer und einmal hat unsere liebe Frau Lehrerin ein
Experiment mit uns (bzw. den Pflanzen) gemacht und eine Pflanze über eine Woche
in den Schrank gesperrt, eine weitere Pflanze aufs Fensterbrett gestellt, aber
eine Woche lang nicht gegossen und eine dritte aufs Fensterbrett gestellt und
gut mit Wasser versorgt.
Das Ergebnis ist natürlich klar: Die einzige Pflanze, die nach einer Woche noch am Leben war, war die im Schrank. Die anderen beiden waren nach zwei Tagen runtergefallen. Kleiner Scherz. Ehrlich gesagt tut mir die Pflanze im Schrank heute noch leid. Wir können nur hoffen, dass der Bursche ein bisschen besser für seine Pflanzen sorgt.
Unser nächstes Ziel ist die oder das BarCelona. Ich weiß noch genau, wie glücklich ich war, endlich wieder im Warmen zu sein und sitzten zu können. Ich bestelle mir jede Menge koffeinhaltige Getränke und bin erstmal zufrieden. Eigentlich ein recht gemütliches Eckchen, direkt am Fluß.
Rückblickend kommt es mir so vor, als hätten wir den ganzen Tag nur in irgendwelchen Spelunken verbracht, aber am Tag selbst hat das ganz anders gewirkt. Kaum im Lokal packt Udo die frisch erworbene Tafel wieder aus und schreibt ein an den Haaren herbeigezogenes Wortspiel drauf: Pee-dead. Er erklärt mir sogar noch den Witz, aber ich muss gestehen, ich habe ihn inzwischen schon wieder vergessen. Vielleicht kann mir ja jemand weiterhelfen.*
Danach beschließen wir die absolute Wahrheit zu verkünden (für nahezu alle Lebenslagen= und auf der Tafel festzuhalten.
Das Ergebnis lautet:
1. Nimm immer die Butter von hinten.
2. Nimm 2
3. Waschmittel sind alle gleich.
Mein Fazit: Erleuchtend!
Tja und dann erlaubt mir Udo ein bisschen vor mich hinzupennen... und krallt sich
meine Knipse** und hält meine Müdigkeit für den Rest der Menschheit fest.
* PS: Bin gerade wieder draufgekommen. Meine Herren!
** PPS: An dieser Stelle sei erwähnt, bevor ich es vergesse: Es ist gar nicht
meine Knipse gewesen, sondern die eines sehr guten Kumpels. Ein kleiner Applaus
jetzt bitte
*klatsch,klatsch* ... danke reicht!
Danke, Chris! |