Tageszeit: 01:00 - 02:00 Uhr

Daniel und ich kommen zeitgleich am Treffpunkt an.
Die Kameras sind noch etwas im Halbschlaf. Werden mal sehen, ob wir den elektronischen Damen den Dämmerzustand austreiben können.

Der erste Mensch, der uns, noch beim Packen, über den Weg läuft, ist ein Mädel namens Dolores. Sie versteht zwar nicht, was wir tun und warum, lässt sich aber trotzdem brav mit der Tafel und der Uhrzeit fotografieren. Guter Start!

Nach 500 Metern fällt Daniel ein, dass er sein Stativ im Auto vergessen hat. Ich glaube ja, dass er es absichtlich hat liegen lassen, um es nicht die ganze Nacht schleppen zu müssen.
Hilft nix - ich prügele ihn zurück.

Es ist saukalt und die Dächer der Autos sind angereift. Eins davon kriegt sogar unser Twentyone24-Logo als Dachschmuck.

Es ist endlich an der Zeit, unseren Weg zu markieren. Wir haben Paketaufkleber der Post mit unserem Logo bedruckt und der erste Aufkleber wird feierlich auf die Rückseite eines Verkehrsschildes geklebt. Ist zwar lächerlich und kindisch, kommt aber gut. Wir strahlen.

Wir fangen ein Pärchen ab und kriegen ein Foto. Die beiden reden wirr und lustig und schreiben in mein Log-Buch "Weil man im Dunkeln schlechter sicht --> viel Spaß".

Vor einer Spielothek wird eine Sonne auf den Boden projiziert. Passt irgendwie ganz gut zu dem Tag mit der wenigsten Sonne des ganzen Jahres.

Nürnberg, Hauptbahnhof, endlich.
Wir wollen Orte besuchen, an denen auch in der Nacht Menschen wach sind. Der Bahnhof fällt uns als erstes ein.
Im McDonald's sitzt ein einsamer Kerl an der Theke und futtert. Ich überlege mir, ob der wohl grad einsam ist, frage ihn aber nicht, weil er so versunken ist.

Ich weiß aus leidvoller Erfahrung, das es im Mc Donald's schwierig ist, Photos zu machen. Man wird leicht des Lokals verwiesen.
Ich mache ein paar Bilder von einer verwaisten Theke und sehe, wie eine asiatisch aussehende Frau aufsteht und mit ihrer Kamera auch hinter die Theke fotografiert. Hey, schön, jemanden inspirieren zu können. Leider ist die Dame weniger dezent als wir und kurze Zeit später kommt eine Angestellte und wirft uns freundlich aber bestimmt raus.

Eine Gruppe Jungs lungert im Bahnhof rum. Sie wollen auf Teufel-komm-raus cool wirken und posen für uns als die Gangster vom Bahnhof.

Die Gang schreibt uns sogar 'ne Widmung in unser Logbuch. Einer behauptet zwar, er könne nicht schreiben, aber das ignoriere ich mit "Is wurscht, ich kann nicht sprechen".
Was wir tun und warum, verstehen aber auch die Jungs nicht.

Es hat für mich schon fast Tradition, am Bäckerei-Stand in der Haupthalle eine Rosinenschnecke zu essen, wenn ich spät abends im Bahnhof bin.
Jedes Mal frage ich den Mann "Na, die ganze Nacht?" und er antwortet jedes Mal "Ja, leider".
Ich glaube nicht, dass er mich wiedererkennt und genieße es jedes Mal neu.

Der Bahnhof ist ziemlich leer. Wir fragen vier Leute nach ihrem Satz des vergangenen Tages und sie schreiben auf die Tafel "Mach amol die Flasche auf". Es stellt sich heraus, dass es Kellner sind, die grad von der Arbeit kommen.

Wir entdecken zwei Cops mit prall gefüllten Mc Donald's Tüten. Als wir um ein Photo bitten, erschrecken sie richtig. Sie fühlen sich wohl ertappt. Sie murmeln was von "Das Zeug wird kalt" und trollen sich. Hätte nicht gedacht, dass ich mal Polizisten erschrecke.

 

[ Udos Bilder dieser Stunde bei Flickr (größere Auflösung)... ]


Als ich Udo in Nürnberg treffe, kratze ich erstmal unser "Logo" in die vereiste Autooberfläche. Irgendwie cool, fast wie ein Bandlogo, nur ohne Band. Let there be rock!

Unser erstes Opfer ist Dolores, die wir um kurz nach eins erwischen. Wir sind uns selbst noch nicht ganz im Klaren, was eigentlich unsere Mission bei der ganzen Geschichte ist und gehen einfach mal drauflos. Dolores modelt geduldig und ich kann ihr durchaus nachsehen, dass sie nicht recht weiß wie ihr geschieht, wenn zwei schwer bewaffnete Hobby-Fotographen sich mitten in der Nacht auf sie stürzen.

Wir sind auf jeden Fall voller Begeisterung dabei (wobei auch immer) und Udo verziert die erste Verkehrsschildrückseite mit unseren selbstgemachten Aufklebern, von denen wir noch am Nachmittag des Vortags voller Liebe und Hingabe eigenhändig rund 20 Stück produziert haben. Durch die Aufkleber kriegt die ganze Aktion irgendwie Underground-Flair. Cool. Ich bin begeistert. Überhaupt, diese Aufkleber: Wir haben uns vorgenommen einmal pro Stunde einen Sticker feierlich irgendwo zu hinterlassen, was bei einem 24-Stunden Tag natürlich schon alleine aus mathematischer Sicht anspruchsvoll wird. Trotzdem haben wir es am Ende nicht geschafft alle loszuwerden.

Bei den nächsten Passanten packt Udo sein Büchlein aus und lässt es beschreiben - ich bin mir nicht sicher, ob die Damen und Herren die noch alle hineinschreiben werden, wissen, dass sie in den nächsten Tagen einen neue Miele Waschmaschine geliefert bekommen, aber ich verrate lieber nix.

Am Bahnhof, zu dem wir aus unterschiedlichen Gründen immer wieder zurückgekehrt sind, treffen wir "die Gang", ein Haufen - offensichtlich dem HipHop nicht abgeneigter- Jugendlicher. Unserer Aufforderung doch spontan mal ein paar Zeilen rauszuschmettern kommen sie leider nicht nach, dafür posieren sie schön für uns. Fehlen nur noch die Chicksen und die Rolex und sie laufen demnächst auf Mtv.

Der Verkäufer am Bahnhof wird später Zeuge eines seltsamen Vorfalls, der mit dem bereits erwänten Edding in direktem Zusammenhang steht.

"Mach amal die Flasche auf" halten die Jungs und Mädels als ihren Spruch des Tages fest. Wenn ich sie richtig verstanden habe, waren sie gerade auf einer Weihnachtsfeier als Servicepersonal am Start. Vermutlich haben sie jetzt alle vier einen Tennisarm vom Korkenziehen.

Am Ende des Tages muss da Büchlein voller wirrer Geschichten von fremden Menschen sein. So ist der Plan.

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