Tageszeit: 03:00 - 04:00 Uhr

Im Untergeschoß des Hauptbahnhofs steht ein Photo-Automat. Wir fotografieren zur Abwechslung mal den Automaten anstatt er uns. Hatte er bestimmt noch nicht.
Ich frage Daniel, ob er schon mal Amelie-like nach weggeworfenen Passbildern gesucht hat. Manchmal tue ich das noch, obwohl ich nie ein Bild gefunden habe.
Mit kommt eine Zeile aus einem Song von Muff Potter in den Sinn:
"Mit 'ner Flasch Absolut sitz ich im Fotoautomat.
Das ist lustig und traurig
genauso wie ich's mag."

[Anhören...]


Manche der Leute, die wir anquatschen, wollen nicht, dass wir ihre Gesichter fotografieren, da wir nicht verhehlen, dass wir das Zeug ins Internet stellen werden. Bis zum Nabel darf ich aber. Ob man mit Nabel-Bildern auch die Seele rauben kann?


So, dass muss jetzt mal reichen mit Hauptbahnhof.
Schnell noch wie ein Köter das Revier markieren mit einem unserer Aufkleber. Ich werde garantiert jedes Mal, wenn ich lang laufe, schauen, ob er noch da ist.


Wir wollen eine Runde mit einem der Nachtbusse fahren und Bilder vom Fahrer machen. Irgendwie kommt kein Bus, wir kapieren den Fahrplan nicht und die einzigen Leute, die noch da sind, sind zwei Mädels mit Bierflaschen. Mädels sind ja immer so Farb-bewusst - ob die die Bierflaschen farblich passend zur Farbe der Sitze im Bushäuschen ausgesucht haben?

Wir treffen einen Brezn-Mann, der die Laugenbrezn liefert, die ich in Nürnberg für legendär halte.
Er erklärt uns, dass die Nachtbusse nur am Wochenende fahren und wir deswegen lange warten könnten.
Aus seinem Wagen duftet es ganz wunderbar nach frischen Brezn.
Ich frage den Mann, ob er selber immer noch Brezn isst. Er meint, dass er jeden Tag zwei Stück esse.
Nur gut, dass wir keinen Brauerei-Fahrer getroffen haben.

Auf dem Weg Richtung Innenstadt treffen wir zwei Typen, die für diese Uhrzeit noch perfekt gestyled sind. Wir haben die Idee, mit ihnen ein Model-Shooting in einer Telefonzelle zu machen. Die Jungs sind echt gut.

Neben der kleinen St. Klara Kirche steht eine Skulptur mit einem sehr traurigen, nackten Mann, der Hiob darstellen soll. Ich erzähle Daniel, dass der Pimmelmann der Figur schon richtig abgegriffen ist, weil anscheinend jeder Passant hinfassen muss.
Tja, Daniel auch.
Zu seiner Ehrenrettung sei gesagt, dass ich mein Date mit der Skulptur schon vor etlichen Jahren hatte.
Ich hoffe, ich werde nie so verzweifelt irgendwo sitzen müssen, wie dieser Mann aus Bronze.

Immer noch vereinzelt Party-People. Ja müssen die denn nicht arbeiten am Freitag? Der linke Typ erinnert mich an den Schauspieler Daniel Brühl.
Das Mädchen kann wunderbar lächeln - leider immer nur in die Kamera von Daniel.



In der Fußgängerzone finden wir einen Damenschuh. Ich frage mich, wie die Einzahl von "Pumps" ist und wie man sowas verlieren kann, ohne es zu merken.
Entweder das Mädel war total betrunken, wurde grad entführt oder war mit ihrem neuen Traummann gerade auf dem Heimweg und schon dabei, sich zu entblättern. Die letzte Möglichkeit gefällt mir am Besten.

Die Museumsbrücke ist verwaist und leer. Ich will später am Tag nochmal ein Bild von der gleichen Stelle machen - samt der vielen Christkindlmarkt-Touris.

Auf unserer Suche nach Menschen, die nachts arbeiten, stoßen wir auf die Security, die dafür sorgt, dass niemand den Christkindlmarkt klaut.
Obwohl die vermummten Typen aussehen wie Ninja-Kämpfer, sind sie sehr nett und wir quatschen lange miteinander.
(Anmerkung: Am nächsten Tag bin ich wieder nachts unterwegs und treffe den Ninja wieder. Wir erkennen uns wieder und er hat tatsächlich auf unsere Website geklickt und will nun wissen, wann es die Bilder gibt. Dann meint er noch, dass ihm meine Geschichte "Hero by Choice" gefallen habe. Ich bin platt. Ein fremder Mensch, der meine Sachen anklickt und auch noch den Text liest. Ein absolutes Highlight für mich.)

Witzig, mit der Brille etwas zu bewachen. Ich habe einen Heidenrespekt vor den Jungs, die jede Nacht in der Kälte rumstehen. Sie vertreiben sich die Zeit, in dem sie ihren Kollegen auf der anderen Seite per Funkgerät davon abhalten, Mädels anzuquatschen. Anstatt einer Klage vom Kollegen höre ich plötzlich eine Frauenstimme aus dem Funkgerät. Ich hoffe, der Typ da drüben hat bewachungstechnisch alles im Griff.

Kaum zu glauben, dass sich hier ein paar Stunden später wieder Japaner und Amerikaner um die Zwetschenmänndl kloppen werden. Wirkt wunderbar friedlich, der Hauptmarkt.

Wieder mal ein verlorener Handschuh. Keine Ahnung, warum ich die immer fotografiere. Mittlerweile dürften es schon weit über hundert sein. Ein paar davon hab ich auch im Internet [anschauen...]. Insgeheim glaube ich ja, dass es eine Verschwörung gibt und die Handschuhe was damit zu tun haben. So leicht täuscht man mich nicht.

 

[ Udos Bilder dieser Stunde bei Flickr (größere Auflösung)... ]

 

 

Raus aus dem Bahnhof, rein in die Kälte. Wir besorgen uns ein Tagesticket für zwei Personen, was uns erst nach mehreren Automatenwechseln gelingt. Mir ist vollkommen unverständlich, wie das irgendjemand schaffen soll, der mit Technik noch weniger am Hut hat als wir. Kaum halten wir das Ticket in den Händen, laufen wir - vorbei an einem suspektem Perückengeschäft - zum Busbahnhof um den Nachtbus zu erwischen und ein bisschen durch die Nacht zu gondeln.

Da stehen wir dann für 10 Minuten in der Kälte, fest davon überzeugt, dass der Bus irgendwann kommt, bis ein gutgelaunter Mensch vom Brezelbringdienst uns darauf hinweist, dass der Nachtbus nur am Wochenende fährt. Pech gehabt. Dafür halten wir ein Schwätzchen mit dem Brezelbringbeamten und er erklärt uns, dass er - auch wenn er schon seit Jahren Brezeln bringt - (und vielleicht sogar bäckt) trotzdem noch jeden Tag zwei Stück ist. Udo wird mich später fragen, ob er uns angelogen hat. Ich glaube nicht.

Der Bus fährt nicht, also laufen wir zu Fuß in die Stadt. Auf dem Weg treffen wir unsere nächsten zwei Kandidaten, die außerordentlich bereitwillig und gekonnt in einer Telefonzelle posieren. Und mitten in der Stadt liegt dann ein Damenschuh, was natürlich sofort einige Verschwörungstheoretiker auf den Plan ruft.

Unser Ziel sind aber eigentlich die Securities vom Christkindlmarkt. Die treffen wir auch an, dürfen sie aber nur vermummt knipsen. Nicht so schlimm. Kaum vermummt, gefriert dem ersten auch schon die nun beschlagene Brille ein. Die beiden schicken uns weiter zum Kollegen am anderen Ende, mit dem sie über Funk verbunden sind. Der wiederum hat wohl gerade mit einigen Mädels zu kämpfen, was damit endet, dass ich irgendwann Frauenstimmen über Funk höre. Aber so genau will ich gar nicht wissen, was da gerade passiert.

Da es gefühlte -30° hat, tun mir die Jungs ordentlich leid, aber sie versichern mir, dass sie ca. 3 Hosen anhaben (jeweils, nicht gemeinsam) und so gut wie gar nicht frieren. Dafür friere ich wie der Henker. Aber ich bin wach.

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