Mittlerweile sind wir auf dem Weg in die Pizzeria im
Zentrum. Dort warten zwei Freunde von mir auf uns. Naja, eigentlich warten
sie nicht, sondern essen Pizza und wir werden ihnen vermutlich die bestmögliche
Unterhaltung sein.
Mann, ist das inzwischen wieder kalt. Der ganze Tag scheint nur aus Kälte
und anschließendem notdürftigen Aufwärmen zu bestehen.
Ein gewisser Kommunikationsüberdruss macht sich deutlich bemerkbar.
Wir reden nicht mehr jeden Passanten an und sind froh, mal ein paar Minuten
schweigend nebeneinander zu laufen.
Die roten Autos auf dem Foto parken an einer magischen Stelle. In dieser
Parklücke habe ich es letzten Sommer geschafft, das Auto hinter mir
beim Einparken anzufahren, ohne es zu merken. Ich bin ausgestiegen und
als ich zwei Stunden später zurückkam, warteten zwei in grün
gewandete Männer auf mich und erklärten mir mein kriminelles
Tun und dass mein Verschwinden ja wohl als Fahrerflucht zu werten sei.
Da es offensichtlich war, dass ich das Auto wirklich leicht angekratzt
hatte, gab ich das sofort zu. In Sachen Fahrerflucht merkte ich an, dass
es ja wohl ziemlich bescheuert sei, bei einer Fahrerflucht das Auto zurückzulassen.
Die beiden sahen sich daraufhin verdutzt an und der schnurrbärtige
Anführer meinte "Naja, vergessen wir mal das mit der Fahrerflucht".
Eigentlich war sein Gesichtsausdruck den anschließenden Papierkram
mit der Versicherung wert.
Die beiden roten Autos erinnern mich an das Buch "Supergute Tage"
von Mark Haddon [Amazon
Link...]. Darin geht es um einen kleinen, an der Grenze zum Authismus
lebenden kleinen Jungen. Der stuft jeden neuen Tag danach ein, wie viele
Autos in bestimmten Farben ihm auf dem Weg zur Schule entgegenkommen.
Vier gelbe Autos bedeuten "Katastrophentag", wobei vier rote
Autos in einer Reihe einen superguten Tag ankündigen. Schräges
Buch - ich mochte es.
Mein Tag bisher war eigentlich supergut, es fehlen also zwei rote Autos.
Auf nichts ist mehr Verlass.
Auf unserem Weg zu den Fleischbänken laufen wir auch am Schuldturm
vorbei, zu dessen Füßen wir am Nachmittag mehrere Stunden saßen.
Oben im Schuldturm brennt Licht. Wer da wohl wohnt?
"Rapuzel natürlich", meint Daniel. Ich bin da nicht so
sicher.
Vermutlich hat nur die Putzfrau nach dem Staubsaugen das Licht brennen
lassen.
Oder an meiner Nachmittagstheorie mit dem Space Shuttle im Schuldturm
ist doch was dran.
Überhaupt gefällt mir der Name "Schuldturm". Im Mittelalter
wurden da säumige Schuldner eingekerkert.
Das wäre doch auch was für die heutige Zeit. Bei völlig
unnötigen Beziehungsstreitigkeiten könnte man den "Schuldhaber"
mal für eine Nacht in den Schuldturm werfen. Danach machte die Versöhnung
bestimmt doppelt Spaß. Stellt sich nur die Frage, wie man immer
so leicht rausfinden kann, wer der Schuldhaber ist. Im Zweifelsfall vermutlich
der Mann. Frauen sind ja eh immer sachlich und objektiv.
Ich schiesse ein paar Bilder beim Laufen aus dem Handgelenk. Nenne die
immer "Schüttelbilder". Die Bilder werden so gut wie nie
was. Diesmal sind nur Pflastersteine und Beine drauf.
Kopfsteinpflaster-City. Am liebsten mag ich Nürnberg an den Stellen
mit Kopfsteinpflaster. Vorzugsweise alte, hubbelige Steine mit breiten
Fugen dazwischen.
Meine Güte, wie können die Pumps-Girls da nur überleben?
Irgendwie glaube ich, darüber schon vor Stunden nachgedacht (und
geschrieben) zu haben. Es ist wirklich ein langer Tag mittlerweile und
ich bin nun schon ca. 35 Stunden auf den Beinen. Dafür fühle
ich mich noch superfit.
Die Pizzeria "Al Fiume" an den Fleischbänken gibt es in
zwei Ausprägungen gleich nebeneinander. Ein Lokal ist neu und stylish
und das nebenan sieht alt und etwas schäbig aus. Ratet mal, wo meine
Freunde sitzen? Genau - alt und etwas schäbig. Egal, hauptsache warm.
Bevor wir anfangen, groß zu reden, schnorren wir kräfig von
den Pizzen der beiden. Rucolapizza mit frisch gehobeltem Parmesan - lecker.
Alles andere ist knoblauchverseucht. Komische Pflanze, dieser Knoblauch
- und allgegenwärtig.
Ralf sieht im Gegensatz zu uns recht frisch aus. Eigentlich wollte er
ja bei unserem Twentyone24 mitmachen, hat aber dann kurzfristig keinen
Urlaub gekriegt. Als wir so von unserem Tag und den vielen kleinen wirren
Sachen erzählen, sieht man ihm an, dass er gerne dabei gewesen wäre.
Kurz danach üben wir komische Handgrüße. Ralf macht andauernd
diesen Gruß, bei dem man die Finger wie zum Peace-Zeichen streckt
und sich mit dem Handballen zwei Mal auf die Brust klopft. Was zum Henker
soll der Gruß bedeuten? Ich hasse es, wenn ich so einfache Sachen
nicht kapiere. Ralf macht sich jedoch einen Spaß daraus, mich im
Dunkeln zu lassen und erzählt stattdessen immer noch haarsträubendere
Unsinnigkeiten.
Zwischen Happen von Pizza und Kritzeleien auf den Servietten hopsen wir
verbal sehr schnell zu abstrusen Diskussionen über Sprichwörter
und deren wahre Bedeutung.
Aus "Ich war jung und brauchte das Geld" wird kauend
und mit vollem Mund "Ich war Hunger und brauchte das Geld".
Man möge mich nicht fragen warum, aber das Sprichwort "Wer
Wind sät, wird Sturm ernten" wird urplötzlich zu "Wer
Saat erntet, wird Feld webeln". So ein Schmarrn. Ich möchte
nicht wissen, wie oft wir uns an dem Tag darüber unterhalten haben,
was "feldwebeln" für eine Tätigkeit sein könnte.
Wir haben echt Probleme.
Wenn ich mir so anschaue, was in dieser Stunde effektiv passiert ist,
so ist das ziemlich dünn. Wenn es Stunden mit wenig kreativem Photo-Output
gab, dann die hier und die nächste. Aber das mit der nächsten
Stunde wusste ich zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht.
[ Udos
Bilder dieser Stunde bei Flickr (größere Auflösung)... ]
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Es macht unheimlichen Spaß Leute zu beobachten. Wir stehen im Kino, leicht erhöht und blicken nach unten auf eine Menschenmenge, die unterschiedlicher nicht sein könnte. In der einen Ecke die coolen Mode-Punker. Lässig und revolutionär und bitte bloß nicht lachen! Ein paar Meter weiter der Schönling und Möchtegern Model. Lässig am Stehtisch in John Wayne Haltung mit gekreuzten Füßen. Und dann noch ein paar Meter weiter ein junges Paar am Tisch. Beide sitzend, ab und zu kuschelnd, manchmal knutschend und wenn's ganz hoch kommt fummelt er ihr unter der Jacke auch mal am Busen rum. Immer nur links.
Wir machen uns wieder auf den Weg und passieren den Weihnachtsmarkt, wo Feuerzangenbowle
ausgeschenkt und auf Großleinwand gezeigt wird. Ich mag den Film
und hab ihn schon einige Male gesehen, größtenteils in der Uni in Erlangen bei
der Weihnachtsvorführung. Auch in diesem Jahr, übrigens. Inzwischen habe ich erfahren,
dass der Film 1944 gedreht wurde. Das macht den Film natürlich auch nicht schlechter,
aber leider nicht unbedingt sympathischer . Bedauerlich ist es allemal. Mehr dazu
hier.
Anschließend treffen wir uns schließlich mit Andrea und Ralf in einer Pizzeria
und dürfen ein bisschen von ihrer Pizza schmarotzen. Sehr fein, das kommt gerade
recht. Und dann bleiben wir da erstmal sitzen. Wiedermal. Stundenlang.
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