Schon wieder ein Handschuh. In diesen
kurzen Zeitabständen kann das kein Zufall sein - aber ich wiederhole
mich.
Auf eine Windschutzscheibe hat jemand "Depp" geschrieben - oder
so ähnlich. Vermutlich wollte er damit sagen "Du unkoordinierter
Verkehrsteilnehmer hast im Einparken ähnliche Defizite wie ich in
der Rechtschreibung".
Mittlerweile sind wir an unserem nächsten Etappenziel angekommen
- einem Krankenhaus. Hier müsste ja eigentlich immer jemand arbeiten
- auch nachts. Ob die uns reinlassen?
Wir erzählen dem Pförtner von unserem Projekt und er schiebt
die Entscheidung erstmal weiter, indem er uns an eine Krankenschwester
verweist. Zumindest sind wir jetzt schon mal drinnen.
Die Schwester ist herrlich lustig. Sie erlaubt uns, auf eigene Faust Bilder
zu machen, wenn wir keine Patienten oder andere sensible Dinge fotografieren.
Unglaublich, wie zugänglich die Menschen sind, wenn man freundlich
fragt und sie zu seinen Verbündeten macht, indem man sie ins Vertrauen
zieht.
Ihr Gesicht mag sie allerdings trotzdem nicht im Internet sehen - "Man
weiss ja nie in diesem Land".
Ihren Handschuh finde ich aber auch spannend.
Sie erzählt uns, dass sie seit 35 Jahren ausschließlich nachts
arbeitet. Wenn es eine Top10-Liste der nachtaktiven Leute in Nürnberg
gäbe, gehörte diese Schwester garantiert dazu.
Sie bescheinigt uns noch, etwas zu sein was wie "tschtsch" klingt.
Auf Nachbohren gibt sie zu, dass das Serbisch sei und "spinnert"
bedeute.
Die leeren Flure wirken irgendwie surreal. Alles ist ganz still und nur
unsere Schuhsohlen machen leise Qietschgeräusche auf dem Linoleumboden.
In dem Zimmer hinter den beiden Betten habe ich vor 2 Wochen noch einen
Krankenbesuch bei einer alten Freundin gemacht. Hätte nicht gedacht,
dass ich bald darauf nachts hier rumschleiche.
Nach einiger Zeit finden wir ein Schwesternzimmer, in dem jemand herumwuselt
und allerhand Fläschen zurechtmacht. Vermutlich eine Art intravenöses
Frühstück. Rührei und frische Brötchen sind mir lieber.
Auch diese Schwester ist sehr nett und erzählt uns von ihrer Nachtschicht.
Ihr Zimmer wirkt wie eine warme, helle Oase inmitten der eher kalten,
dunklen Flure.
Dass der Weihnachtsstern hinter ihrem Kopf eine Art Heiligenschein bildet,
sehe ich erst später - passt aber ganz gut. Mein Respekt vor diesen
Sozialberufen steigt noch weiter.
Nachdem wir die eine Schwester protraitiert haben, traut sich auch eine
andere Kollegin mit aufs Bild. Die beiden scheinen sich für meine
Augen irgendwie blind zu verstehen. Vermutlich geht es in so einem Job
aber auch nicht anders.
An einer Tür hängt ein Schild mit "Frei". Was sich
wohl dahinter verbirgt? Freigeister, leere Doppelzimmer oder Singles?
Wie sich diese Schilder wohl an den Käfig-Zellen im US-Gefängins
in Guantanamo machen würden?
Manche abgedeckte Betten sind mit "schwarze Matratze" beschriftet
und auf dem Tuch steht "Rein". Mir ist natürlich klar,
dass das wohl was mit Inkontinenz zu tun hat, aber mein Kopf schweift
wieder mal ab:
Wäre doch klasse, auch Menschen mit so offensichtlichen Kennzeichnungen
zu versehen, oder?
"Schwarzer Humor", "Reines Herz", "Belegt",
"Unreine Gedanken". Hey, das hat Potential. Eine Geschäftsidee?
Mann, bin ich froh, dass ich bisher derartiges "Geschirr" noch
nicht gebraucht hab.
Eine Verteilerstelle für Einweg-Handschuhe. Keine Ahnung, wozu die
verschiedenen Farben gut sind. Man muss die Bakterien immer hübsch
voneinander getrennt halten. Mir sind die grünen Bakterien am sympatischsten.
Die Kinderstation ist ziemlich nett dekoriert. Überall Raumschiffe
und Planeten an den Wänden. Ein Spiegel-Dings lädt geradezu
zu einem Selbstportrait ein. Ein Elternpaar geht vorbei und schaut uns
fragend an. Die hätten jetzt garantiert lieber keinen Grund, hier
zu sein.
Bevor es wieder in die Kälte geht, machen wir noch kurz Rast. Die
blöden Stative nerven ganz schön. Eingehängt in unsere
Gürtel wirken sie wie Schwerter. Artus und Lancelot on Tour.
[ Udos Bilder dieser Stunde bei Flickr (größere Auflösung)... ]
|
Wieder drausen ist unser nächstes Ziel ein Krankenhaus. Gottseidank haben wir uns im Vorfeld mal getroffen und zumindest ein klein wenig geplant, wohin wir gehen wollen. Grober Plan war: Dahin wo was los ist. Nachts hat man da natürlich nur wenige Möglichkeiten, auf dem Programm standen aber Bahnhof, Krankenhaus, Flughafen, Taxifahrer, Kneipen... Ursprünglich war auch ein Besuch in der Polizeistation angedacht, allerdings haben wir das letztenendes doch nicht umgesetzt.
Krankenhaus jetzt also. Selbstverständlich haben wir unseren Weg dorthin markiert. Ich war bis zuletzt davon überzeugt, dass wir auf keinen Fall reindürfen und dass wir Glück haben, wenn wir nicht sofort wieder rausfliegen. Weit gefehlt. Der Pförtner schaut zwar etwas irritiert, aber nach 2 Sekunden zögern ist er sehr aufgeschlossen und lässt uns rein. Wir versprechen ihm keine Patienten zu knipsen und er schickt uns gleich ums Eck zu einer Nachtschwester.
Diese arbeitet seit 35 Jahren ausschließlich nachts und bringt uns ein seltsames Wort bei, dass ich leider hier nicht wiedergeben kann, weil ich nicht mal geschafft habe es auszusprechen. Aber es bedeutet ungefähr soviel wie "ballaballa". Fotografieren lässt sie sich leider nicht, schickt uns aber freundlich weiter zu Kolleginen, die "sich bestimmt fotografieren" lassen.
Die Krankenhausflure sind um die Zeit natürlich wie leergefegt, nur zwei Besucher, Mann und Frau, treffen wir an, als wir gerade mal an einer Sitzecke platznehmen. Ich komme mir in dem Moment vor, wie ein absoluter Vollidiot. Wir sind ja in einer Kinderstation, die beiden sind wahrscheinlich die Eltern von irgendeinem kleinen Hutzel, der furchtbar krank ist und jetzt laufen hier auch noch mitten in der Nacht zwei selbstzufriedene Fotografen vorbei, deren einzige Sorge die korrekte Belichtung von Krankenhausfluren ist. Ich bin froh als wir weitergehen.
Die Kolleginen lassen sich dann auch tatsächlich von uns fotografieren und nach einem kurzen Schwätzchen suchen wir wieder das Weite. Unglaublich. Wir durften tatsächlich rein.
|